Dach-Spiel-Platz
Über mehrere Jahre hinweg hat die Gemeinde Alfter die Umgestaltung des zentralen Platzes im Ortskern, dem Herrenwingert, vorbereitet. Dafür wurde ein Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept aufgestellt, welches die einzelnen Maßnahmen und Veränderungsschritte festlegt. Ein erstes, zugleich umfangreiches Projekt war der Neubau einer Kultur- und Sporthalle. Sie ersetzt die baufällige und nicht mehr wirtschaftlich zu sanierende Mehrzweckhalle in direkter Nachbarschaft zum Neubau. Der Bolzplatz, dem die neue Halle weichen musste, findet einen modernen Ersatz, zwei Etagen höher auf dem Dach der neuen Halle. Denn das Flachdach der Kultur- und Sporthalle bietet neben Fitness- und Erholungsbereichen zusätzlich ein Ballsportfeld. Abgedichtet wurde der multifunktional nutzbare Hallenbau mit dem ökologischen EVALASTIC®-Flachdachsystem von alwitra.
Dem Baustart im Oktober 2021 ging ein durch die Gemeinde Alfter ausgelobter Architekturwettbewerb voraus. Das von Königs Architekten, Köln, gemeinsam mit stern landschaften, Köln, vorgelegte Gestaltungskonzept konnte Jury und Gemeinderat gleichermaßen überzeugen. Ausgangspunkt war der bis dahin hauptsächlich als Parkplatz genutzte Ortskern Alfters, landläufig „Herrenwingert“ also „Weinberg des Herrn“ genannt. Dieser sollte in einen der Ortsgröße angemessenen, begrünten und autofreien Freiraum umgestaltet werden. Hierzu zählt ein innovatives bauliches Konzept für einen Vollsortimenter mit Tiefgarage und zusätzlichen Wohnungen in den Obergeschossen zur Steigerung der Nutzungs- und Aufenthaltsqualität der Bürger am Herrenwingert. Ebenso der Neubau einer Kultur- und Sporthalle als Ersatz für die marode Grundschulturnhalle, welcher zusätzlich den vorhandenen Schulcampus stärkt.
Hallenbau mit klimaneutraler Holzkonstruktion
In einem ersten Bauschritt wurde die Kultur- und Sporthalle in Hybridbauweise erstellt, die eine auf drei Ebenen verteilte Nutzung ermöglicht. Im unter der Geländekante liegenden Bereich entstand eine Event- und Sportfläche, die Platz für bis zu 400 Zuschauer bietet. In der darüber liegenden Foyerebene sind der Tribünenbereich sowie ein Café angeordnet. Auf dem begehbaren Flachdach finden sich ein Ballsportfeld sowie Fitness- und Erholungsflächen. Konstruktiv besteht die Halle aus einer klimaneutralen Holzkonstruktion mit Fachwerkträgern aus Buchenholz und durchgehenden Fensterfronten. Beheizt wird das Gebäude über eine Sole/Wasser-Wärmepumpe.
Vielseitige Abdichtungsaufgabe
Mit der fachgerechten Abdichtung des multifunktional genutzten Daches wurde der Dachdeckerbetrieb Die Johns GmbH aus Reichshof beauftragt. Dabei zeigte sich, dass sich mit der Gestaltung und vorgesehenen Nutzung der kompletten Dachfläche zahlreiche zusätzliche Details für die Dachhandwerker ergaben. So mussten die für Spielgeräte oder Sitzgelegenheiten notwendigen Verankerungen in der Tragschale des Daches durch alle nachfolgenden Dachschichten hindurchgeführt und fachgerecht abgedichtet werden. Zusätzlich ist das rund 1000 Quadratmeter umfassende Hauptdach mit „Spielebene“ nahezu umlaufend zum Dachrand hin nochmals abgesenkt. Da auch dieser auskragende Bereich teilweise nutzbar ist, wurden in die steilen Dachbereiche sowohl Treppenstufen als auch tribünenartigen Abtreppungen integriert. Zudem mussten neben den in der Fläche angeordneten Entwässerungs- und Notentwässerungspunkten auch in den insgesamt 500 Quadratmeter großen und tieferliegenden Umrandungen entsprechende Gefälle und Gullys eingebaut werden.
Aufwändiges Entwässerungskonzept
Grundlage aller Dachabdichtungsarbeiten ist eine bituminöse Notabdichtung, die auf der Tragschale aus Holz verlegt wurde. Sie schützte den Hallenbau während der Bauphase vor eindringender Feuchtigkeit und diente zugleich als Dampfbremse. Im Anschluss daran wurden alle Halterungen und Fixierungsanker der später zu montierenden Abgrenzungen, Spiel- und Fitnessgeräte sowie der Sitzbänke im Untergrund verschraubt und mit Flüssigkunststoff an die Notabdichtung angebunden. Da die umlaufenden Auskragungen über die Gebäudekante hinausragen, konnten diese als Kaltdach ausgeführt werden. Einzig in den „Entwässerungsrinnen“ verlegten die Dachdecker eine Dämmschicht aus PU, um die notwendigen Gefälle zu den Abläufen zu erstellen. Wie in der Hauptdachfläche kamen hier die neuen Edelstahlabläufe EVASTEEL® der alwitra GmbH zum Einsatz.
Montage der Edelstahlabläufe
In den Rinnen wurden paarweise ein senkrechter Ablauf für die „normale“ Entwässerung sowie ein waagerechter Ablauf für die Notentwässerung eingebaut. Um einen schwellenlosen Übergang zur Abdichtung zu ermöglichen, fräste der Dachdecker die PU-Dämmung entsprechend der Größe des Edelstahlflansches ein. Für den waagerechten Ablauf musste die Dämmung zusätzlich noch ausgeschnitten werden, bevor der Ablauf eingebaut und mit Montageschaum fixiert werden konnte. Im Anschluss an die Montage aller Abläufe in den Rinnen erfolgte die Abdichtung der gesamten Fläche der Auskragung mit der EPDM-Dachbahn EVALASTIC®.
Zum Anschluss der Abläufe an die lose verlegten EVALASTIC®-Dachbahnen in den auskragenden Dachbereichen kamen die materialgleichen Anschlusskragen aus dem EVASTEEL®-Set zum Einsatz. Diese wurden zunächst mittels Heißluft mit den auf den Edelstahlflanschen aufkaschierten EVALASTIC®-Bahnen verschweißt. Danach konnten die Anschlusskragen mit der Flächenbahn verschweißt werden.
Holzdachkonstruktion mit öffentlicher Nutzung
Die Kultur- und Sporthalle in Alfter ist deutschlandweit die erste öffentlich nutzbare Dachspielfläche auf einem Flachdach mit Holzkonstruktion. Die Kombination dieser Konstruktionsart mit einer frei begehbaren Nutzung bedingt eine brandschutztechnische Trennung in F90 – Qualität. Es gibt jedoch bisher in Deutschland keine allgemein zugelassenen Dacheinlaufsysteme mit dieser Anforderung. Durch die innovative Modifizierung einer Brandschutzmanschette der Firma Hilti war es möglich, das Problem in unserem speziellen Einzelfall bei den Dacheinlaufsystemen zu lösen, möglicherweise wird daraus demnächst ein Produkt mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung.
In allen Dachschichten eingebunden
Auf der Hauptdachfläche wurde ein Großteil der Aufbauten wie Abtrennungen, Pfosten und Fitnesselemente montiert, bevor die Dachdecker die weiteren Dachschichten verlegten. Anschließend begannen die Dachhandwerker mit dem weiteren Aufbau. Die in einzelne Tagesabschnitte aufgeteilte Dachfläche erhielt zunächst eine Schicht aus stabilen und druckfesten Mineraldämmplatten in 100 mm Dicke. Darauf folgten hochwirksame PU-Gefälledämmplatten, die anfallende Niederschläge direkt zu den Gullies leiten. Eine mit Mineralwolle gefüllte Trennfuge unterteilt die einzelnen Abschnitte nochmals in Segmente. Über die zweifache Dämmschicht verlegten die Dachdecker abschließend die EVALASTIC®-Bahnen und fügten die überlappenden Bahnennähte mittels Heißluft mit einem Schweißautomaten.
Formteile für Details
Regelmäßig unterbrochen wurde die Bahnenverlegung durch die bereits montierten Aufbauten. Hier mussten die Bahnen eingeschnitten, gekürzt oder angepasst werden. Abschließend wurden die Durchdringungen mit Flüssigkunststoff fachgerecht an die Flächenabdichtungen angeschlossen. Weitere Anschlussdetails ergaben sich durch die Einbauten der Treppenstufen und Sitztribünen in einem Bereich der Auskragung. Die auf Maß gefertigten Unterkonstruktionen aus dauerhaft tragfähigen Mehrschichtholzplatten dichteten die Dachdecker in den Flächen zunächst mit EVALASTIC®-Bahnen ab. Hierzu wurden die EPDM-Bahnen vollflächig auf die Holzelemente verklebt. In den Innen- und Außenecken nutzten die Dachhandwerker entsprechende Formstücke aus dem Zubehörportfolio, um technisch einwandfreie Details zu erstellen.
Gern genutzter Dach-Spiel-Platz
Nach Abschluss der Dachabdichtungsarbeiten erhielt das Hauptdach einen zusätzlichen Sportbelag. Teile der auskragenden Umrandung wurden begrünt, in die Rinnen Kies verfüllt. Ausreichend hohe Geländer grenzen einzelne Bereiche ab und sichern zusätzlich die Dachränder. Mittlerweile ist das Gebäude fertiggestellt und auch die Dachfläche frei begehbar. Die neue und abwechslungsreiche Spiel- und Sportfläche auf dem Dach der Multifunktionshalle in Alfter wird von den Kindern gern bespielt. Erwachsene nutzen die Freifläche zum Ausruhen in ungewohnter Höhe. Ohne Frage ist das Konzept der Belebung des Platzes auf dem Dach mehr als aufgegangen.
Text: Sven-Erik Tornow, Ulrich Königs