Die architektonisch eigenständige Aufstockung eines Geschosswohnungsbaus aus den 1950er-Jahren schafft in der Innenstadt von Wiesbaden sechs zusätzliche Wohnungen. Die Flachdachaufstockung wurde als einfache, vorgefertigte Holzrahmenkonstruktion auf einer Brettstapeldecke ausgeführt und überzeugt durch ihre Effizienz und Nachhaltigkeit.
Nachhaltige Verdichtung in Wiesbaden
Wie in vielen anderen Ballungszentren in Deutschland herrscht auch in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden eine hohe Nachfrage nach neuem und bezahlbarem Wohnraum. Die bestehende Praxis, Wohngebäude aufzurüsten und vertikal zu verdichten, bietet eine effiziente und nachhaltige Möglichkeit, dieser Nachfrage gerecht zu werden. Im Rahmen von Sanierungs- und Nachverdichtungsmaßnahmen der GWW Wiesbadener Wohnungsbaugesellschaft GmbH wurde der Geschosswohnungsbau an der Niederwaldstraße 46–48 saniert und um ein eigenständiges Geschoss in Holzbauweise aufgestockt.
Lage und Kontext
Der Geschosswohnbau ist Teil einer Wohnanlage aus dem Jahr 1952 und befindet sich auf einem dreieckigen Grundstück zwischen der Niederwaldstraße und dem Konrad-Adenauer-Ring, am Übergang vom historisch gewachsenen, gründerzeitlichen Kerngebiet Wiesbadens zu den Stadterweiterungsgebieten. Der Kopfbau orientiert sich zum Karlsbaderplatz, einer stark befahrenen Kreuzung. Zwischen den Bauten liegt ein für die bauliche Typologie typischer Grünraum mit Rasenfläche und Bewuchs. Auch zur Kreuzung hin sind die Häuser mittlerweile von einem hochgewachsenen Baumbestand umgeben, der im Sommer für einen dichten Sichtschutz bis in die oberen Geschosse sorgt.
Flachdachaufstockung aus Holzrahmenbauweise
Für die Aufstockung wurde der flach geneigte Dachstuhl abgetragen, und das Gebäude um ein Vollgeschoss in Holzrahmenbauweise ergänzt. Durch die Verwendung von Holz als leichtem Baustoff musste die Statik des Bestandsgebäudes nicht zusätzlich ertüchtigt werden. Das Volumen der Aufstockungen wurde mit einer Brettstapeldecke auf die Dachgeschossdecke aufgesetzt, wobei die Zwischenräume mit Mineralwolle ausgedämmt und die Deckenkonstruktion oberseitig mit einer OSB-Plattenlage ausgesteift wurde. Der Fußbodenaufbau besteht aus einer acht Zentimeter starken ungebundenen Schüttung, Trittschalldämmung aus Mineralwolle und zwei Lagen Gipsfaserplatten (Trockenestrich). Die Außenwände wurden als vorgefertigte Holzrahmenbaukonstruktion ausgeführt und sind entweder verputzt oder mit beschichteten Zinkblechschindeln als Außenhaut versehen. Auf den Längsseiten kragen die Balkone über den Bestand hinaus, was die Eigenständigkeit der Aufstockungen zusätzlich betont und mehr Mietfläche schafft. Die Seitenwände und die Dachuntersicht sind diagonal angeschnitten und laufen zu den Enden schmal aus. Dadurch wird die Terrasse dreiseitig eingefasst, und die Aufstockungen wirken wie aufgesetzte Guckkästen, die sich deutlich vom Bestand abheben und den Häusern eine neue, außergewöhnliche Ansicht verleihen.
Sanierung des Bestands
Die bestehenden räumlichen Strukturen des Bestands blieben weitestgehend unverändert, abgesehen von den Treppenhäusern. Eine wesentliche Voraussetzung für die Aufstockung war die nachträgliche Integration einer Aufzugsanlage in die bauliche Struktur. Dafür wurden die bestehenden Treppenhäuser abgebrochen und durch eine neue Treppenanlage mit einläufiger Treppe und neuem Fahrstuhl ersetzt. So werden alle Wohnungen bis ins Dachgeschoss barrierefrei erschlossen. Die neugestalteten Eingangsbereiche bilden klare Adressen im Stadtraum und bieten dank eines großen Vordachs einen guten Wetterschutz. Die neue thermische Hülle des Bestands spart Energiekosten und senkt den CO₂-Fußabdruck. Alle Mietwohnungen wurden auf einen technisch zeitgemäßen Stand gebracht. Eine dezentrale mechanische Belüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt nun für geregelten Luftaustausch und erhöhten Schallschutz zur viel befahrenen Straße. Aus demselben Grund wurden die vorhandenen Balkone mit voll verglasten Faltschiebeelementen versehen. Zusätzlich wurden die Bäder und die konventionelle Haustechnik komplett erneuert.