Wohnanlage in Marburg
Von der Ziegelei zum Wohnquartier
Die Universitätsstadt Marburg ist bekannt durch die malerische Lage am Ufer der Lahn und durch die steil aufsteigende Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und dem mächtigen Stadtschloss. Rund zwei Kilometer weiter westlich liegt die Ockershäuser Allee, wo sich um 1900 eine Ziegelei angesiedelt hatte. Seit Ende der 1960er-Jahre wurde das 9.000 Quadratmeter große Grundstück eine Zeit lang von der Firma „Sprengstoff und Kunststoff GmbH“ genutzt. Mittlerweile hat das Unternehmen hier nach Jahren des Leerstandes das Wohnquartier „Alte Ziegelei“ als Bauherr realisiert.
Die Anlage wurde zwischen 2013 und 2022 in drei Bauabschnitten nach Plänen des vor Ort ansässigen Bauingenieurs Stefan Rover umgesetzt, dem Inhaber des Architekturbüros integrale planung. Sie umfasst acht freistehende Häuser, die insgesamt 57 Wohnungen mit Flächen zwischen 55 und 215 Quadratmetern sowie vier Büroeinheiten zur Verfügung stellen. Komplettiert wird das Programm durch zwei Tiefgaragen mit insgesamt 107 Stellplätzen.
Hochwertige Fassadengestaltung
Sämtliche Häuser sind als minimalistisch gestaltete Flachdach-Volumen mit jeweils drei Vollgeschossen und einem zusätzlichen Staffelgeschoss ausgeführt. Ein markantes Detail ist außerdem die abwechslungsreiche Fassadengestaltung mit unterschiedlichen Klinkern in unterschiedlichen Farbtönen. Je nach Perspektive trifft der Blick wechselweise auf durchgehend verklinkerte, auf schachbrettartig gestaltete oder auf horizontal untergliederte Flächen. Das Projekt bietet damit eine gelungene Hommage an die industrielle Historie des Areals, als hier Jahrzehnte lang Lehm und Ton abgebaut wurden.
Eine Besonderheit des Projektes ist auch die abwechslungsreiche Gestaltung der zur Verfügung stehenden Flachdachflächen, die wahlweise begrünt, als Retentionsgründach oder als begehbare Dachterrasse ausgeführt wurden. Um das Projekt als Effizienzhaus 55 umzusetzen, wurden auf zwei der Dachflächen außerdem geneigte Photovoltaik- und Solarthermie-Module integriert.
Abwechslungsreich gestaltete Flachdächer
Die Umsetzung der verschiedenen Dacharbeiten erfolgte durch die Dörr Dach+Wand GmbH & Co.KG aus Kirchhain (1. und 2. Bauabschnitt) sowie durch die Thomä Bedachungsgeschäft GmbH aus Aßlar (3. Bauabschnitt). Im Rahmen des zweiten Bauabschnitts wurden die Flachdächer der Häuser 2 bis 6 oberhalb der Stahlbetondecke zunächst mit einem Kaltbitumenvoranstrich und einer Bitumendampfsperre versehen. Direkt darüber wurde eine im Mittel 260 Millimeter dicke Gefällewärmedämmung aus Polyurethan-Hartschaum integriert. Im nächsten Schritt kam eine durchwurzelungsfeste Abdichtungsbahn aus Kunststoff zum Einsatz. Abschließend konnte die extensive Dachbegrünung auf einer Fläche von insgesamt 780 Quadratmetern ausgeführt werden. Ein Teil der Flächen wurde alternativ als begehbare Dachterrasse umgesetzt. Die auf Haus 6 aufgestellten PV- und Solarthermie-Anlagen ermöglichen gleichzeitig eine günstige und CO2-freie Versorgung der Wohneinheiten mit Strom und Wärme.
Dachaufbau im Rahmen des dritten Bauabschnitts
Einen abweichenden Dachaufbau zeigen die im dritten Bauabschnitt fertiggestellten Häuser 7 und 8. Hier sorgt oberhalb der ohne Gefälle ausgeführten Wärmedämmung eine zweilagige Bitumenabdichtung für einen dauerhaften Schutz gegen eindringende Feuchtigkeit. Für die untere Lage wählten die Beteiligten eine Elastomerbitumen-Schweißbahn , als Oberlagsbahn wurde eine durchwurzelungsfeste Polymerbitumen-Schweißbahn mit mechanisch extrem hochbelastbarer Polyesterverbundträgereinlage verlegt. Im nächsten Schritt wurde dann eine extensive Dachbegrünung mit Regenwasserrückhaltung auf einer Fläche von insgesamt 385 Quadratmetern mit einem 50 cm breiten Kiesrandstreifen ausgeführt. Über einem Trenn-, Schutz-, und Speichervlies kam dazu zunächst eine 30 Millimeter dicke Mäanderplatte als Wasserrückhalteelement zum Einsatz. Die Elemente ermöglichen ein sicheres und gezieltes Ableiten von Überschusswasser und sorgen so für einen nachhaltigen Schutz vor Starkregenereignissen. Abschließend konnten dann ein Filtervlies sowie ein Extensivsubstrat aufgebracht werden. Die Entwässerung erfolgt über nach außen geführte Regenfallrohre und Attikanotüberläufe. Auf Haus 8 wurde zusätzlich eine weitere PV-Anlage mit einer Nennleistung von 11,3 kWp integriert. Ein attraktiver Mittelpunkt der Wohnanlage ist das Gründach oberhalb der Tiefgaragen, das nach dem gleichen Prinzip umgesetzt wurde. Im Unterschied zu anderen Bereichen wurde das Gründach oberhalb der Tiefgarage jedoch ohne Wärmedämmung ausgeführt.
Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente ist dem Planungsteam um Stefan Rover eine nachhaltig konzipierte Wohnanlage gelungen, die nicht nur architektonisch überzeugt, sondern die gleichzeitig auch auf intelligente Weise die Historie des Ortes aufgreift.