Oberbayerische Dachform 2.0
Dächer sind Identität, Gesichter der Gesellschaft, Ausdruck von Klima und Baukultur, bauphysikalische und mikroklimatische Potenzialträger und unter Umstände sogar Lebensräume für Mensch und Tier. Sie formen ganze Stadtsilhouetten und das, was wir zu Hause nennen. In Oberbayern im Tölzer Land
blickt das Satteldach auf eine lange, erfolgreiche und unangefochtene Historie zurück und gehört vielerorts immer noch zur prägenden baukulturellen Identitätsvermittlung.Das Hotel BERGEBLICK lugt aus dem angrenzenden Stadtwald auf der Wackersberger Höhe hervor und positioniert sich offen und transparent zur angrenzenden Bergkette. Es lässt die Natur, den Wald durch sein Holzgerippe spielerisch und selbstverständlich durch sich hindurchfließen,
hindurchzwitschern und brummen. Mit der gleichen Rücksichtnahme vor den Funktionsweisen, Zusammenhängen und der Schönheit der umgebenden Natur wurden die Flachdächer bewusst nicht als Satteldächer konzipiert, sondern ordnen sich umgeben von ihrer naturellen Kulisse demütig unter und fungieren gleichzeitig als Photovoltaik-, Retentions-, und Grünflächen. Sie verstehen sich nicht als Symbolflächen für den traditionellen baukulturellen Diskurs, sondern vielmehr als visuell nachrangig aber funktionell wirksam gemachte Flächen, die das Konzept eines nachhaltigen, in die Landschaft und seinen Kontext verwobenen Gebäudes, maßgebend zeichnen.Die versiegelten Flächen der Gebäude werden der Natur und dem lokalen Wasserkreislauf wieder zurückgegeben und schließen so die Funktionsprozesse über das Gebäude. Der Kies der Dacheindeckung des Hauptgebäudes entstammt der Isar nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt
und wurde dort über viele Jahrzehnte im Flussbett natürlich in seine Form gewaschen.Die Installation der Photovoltaikflächen des Hauptgebäudes erfolgte nach der Strategie einer maximalen Revisionierbarkeit, sodass die Module bei Beschädigungen oder einer technischen Überholung einfach, ohne großen Aufwände ausgetauscht werden können. Die Revisionierbarkeitfolgt dabei der durchgängigen, identitätsprägenden Errichtungs- und Konstruktionslogik des
gesamten Gebäudes. Das Projekt wurde als Gebäudetyp E errichtet, der mit seinen Dachflächen und seiner hölzernen Fassadenkonstruktion eine innovative und potenzialgeladene These zur Beantwortung unserer klimatischen Herausforderungen stellt: Material wird konsequent unter den Gesichtspunkten der
Nachhaltigkeit mit einer möglichst regionalen Wertschöpfungskette hinsichtlich der materialspezifischen Stärken und Schwächen eingesetzt, dabei jedoch die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Materialien teils mit technischen Neuerungen verschoben wird (z.B. PU-Abdichtungen der Hirnholzflächen am Fassadenholz ermöglichen Gebrauch von vermeintlich geringwertigem Fichtenholz und schonen so hochwertige Holzarten).Die extensiv begrünten Dächer der Lodges und des Saunahauses (SENSES Pavillon) folgen wie kleine fliegende Gärten dem Ziel einer minimal invasiven Einfügung in das Gelände. Sie geben die Blickachsen aus dem Hotel und durch das Hotel hindurch frei. Auf der einen Seite der Wald, auf der andern die Berge. Die Dachform den örtlichen Gegebenheiten, verfügbaren Materialien und materialgerechten Konstruktionsprinzipien anzupassen, zeichnete auch eins den Entstehungsprozess des Satteldaches. Dieser baukulturelle Geist lebt im Konzept weiter und wird für den Ort und die kontemporären Herausforderungen in eine neue Form gebracht. Baukultur bedeutet für uns nicht das repetitive Wiederholen, von dem, was da ist, sondern den Diskurs des Ursprungs weiter zu tragen und weiter anzureichern: Oberbayerische Dachform 2.0.